Einsichten vom 7. Berliner Coachingtag - Teil 1
„Berater sehen irgendwie alt aus“ jedenfalls aus der Perspektive der nachfolgenden Arbeitsgeneration. Dieses augenzwinkernde und dennoch ernst gemeinte Fazit zog Dr. Beate Fietze am Ende ihrer inhaltsreichen Auftakt-Key-Note zum Digitalen Wandel in der Beratung. Der 7. Berliner Coachingtag (BCT) widmete sich einen ganzen Tag lang den Chancen und Risiken, die der digitale Wandel in der Beratung bieten kann. Als Coaching Center Berlin waren wir eingeladen, die Arbeit mit digitalen Plattformen, unserem development:hub, am Beispiel eines Gesundheitsprojektes in Unternehmen vorzustellen.
Wie sehen die Beratungsprofessionals selbst den Digitalen Wandel in ihrem Feld? Nach einer Branchenumfrage nutzen bisher nur 15% der befragten Coaches regelmäßig Online-Medien in ihrer Beratungsarbeit (Coaching-Studie, BCO 2015/16). Beratenden Professionen kann man bei der Bewältigung des „Digitalen Wandels“ durchaus bescheinigen, dass zu den nächsten Zeugnissen die „Versetzung gefährdet“ sein könnte.
Und auch die Stimmen aus dem Kreis der rund 100 teilnehmenden Berater, Coaches und Personaler am 7. BCT waren immer wieder deutlich skeptisch: was denn die Kunden davon hätten, ob denn die persönliche Beziehung wirklich virtuell her zustellen sei, ob die Offenheit gegeben sei...
Die Skepsis, so war an den Fragen aus dem Publikum herauszuhören, kommt vermutlich auch aus mangelnder Erfahrung und mangelnder Praxis mit den neuen Medien im Beratungskontext. Die Erinnerung an die erste „konventionelle“ Moderation dürfte kaum anders sein. Hat nicht jeder von uns damals zu Beginn ebenfalls mit dem Material gekämpft, mit Flipchart, Pinnwand, Karten, Stiften, hören, schreiben...?
Guido Fiolka erinnerte daran, dass der Umgang mit Computertechnik noch vor 30 Jahren nur wenigen Spezialisten vorbehalten war. Heute muss plötzlich jeder ein „IT- Spezialist“ sein. Das ist nicht selbstverständlich. Der Umgang mit digitalen Medien in der Beratung braucht – genau wie jede andere Tätigkeit, die man neu erlernt – Motivation und Übung, bis es Spaß macht.
Erinnerungen an die Fahrschule werden wach. Wenn ich mich an meine eigenen „Fahrerlebnisse“ mit digitalen Medien in der Beratung erinnere, bei meinen ersten Video-Coachings und Online-Trainings, dann muss ich zugeben: das war kein schönes Fahrerlebnis, das war Stress pur. Und ein Glück, wenn mein Gegenüber das nicht bemerkte. Ein FLOW-Erlebnis mit Video, Telefon, Chat und Email-Coaching stellt sich erst dann ein, wenn die Kompetenz der Herausforderung gewachsen ist.
Die Zukunft der Beratung liegt sicher in den „blended“ – also gemischten – Formaten. Und dann können Berater und ihre Klienten vom Besten beider Welten profitieren: dem direkten Kontakt im Face-to-Face Coaching genauso wie den vielen Optionen der räumlich- und zeitlich entgrenzten virtuellen Welt. Eine Welt, in der unsere Kunden längst angekommen sind.
In Unternehmen – nicht nur der Digitalwirtschaft – gehen Führungskräfte seit Jahren schon mit Video- und Telefonkonferenzen um und müssen Teams virtuell über die Welt verteilt zusammen arbeiten. In Pausengesprächen am 7. BCT konnte man auch hören, dass mancher Unternehmensvertreter sich über den Stand der Diskussion über Digitalen Wandel unter Beratern wunderte...
Digital-müde sind Kunden dann, wenn die neuen Medien in ihrer Arbeitswelt nicht professionell eingeführt wurden. Dann hört man auch bei ihnen den Seufzer: „Coaching? bitte lieber Face-to-Face“.
Eine große Chance nutzen Berater dann, wenn sie Kunden zeigen können, wie es besser geht. Wie man das Beste aus beiden Welten leben kann. Wer das selbst einmal erlebt hat, dem fällt es leicht(er).
Fazit 1 zum Thema Digitaler Wandel in der Beratung: die allermeisten Berater sind nicht „alt“, sie haben kein Generationenproblem sondern ein Kompetenzproblem. Und das lässt sich lösen. Kompetenz ist keine Frage des Alters. Auch 25-jährigen Millenials habe ich als Digital-Oma schon einmal erklärt, was der Folienmaster in Powerpoint ist und wie man im Internet systematisch recherchiert.
Für digitale Kompetenz gilt ganz klar für alle Generationen: Mehr ist mehr.
Wir können nicht unser Geburtsdatum verändern. Sehr wohl aber unser Kompetenzlevel im Umgang mit digitalen Medien. Wir können mit unserem Kompetenzlevel erreichen, was kein Schönheitschirurg für uns tun kann: immer besser, immer „jünger“ werden. Nur, das wir „Älteren“ zusätzlich unser Erfahrungswissen mit an Bord bringen. Das Beste aus beiden Welten eben.
Teil 2 im nächsten Blogpost: Digitaler Wandel in der Beratung: Weniger ist Mehr – Digital Detox macht uns schlauer. Einsichten vom 7. Berliner Coachingtag.
Quellen dieses Beitrags:
Foto: Extended Maslow pyramid of generation Y & Z, M. Müller
Der Berliner Coaching Tag wird alle zwei Jahre veranstaltet von artop-Institut an der Humboldt-Universität.
Unsere Präsentation sowie weitere Ressourcen finden Sie auf dem development:hub.eu, der Plattform für die Welt des Human & Organizational Development im digitalen Zeitalter hier.
Fiolka says
Meine Erfahrung ist – nicht nur im Rahmen des im Beitrag beschriebenen Events, dass Coaches dem Thema Digitalisierung und hinsichtlich digitaler Kompetenzen noch weiter hinterher sind als die meisten Berufsgruppen, die sie als Kunden haben. Man kann gespannt sein, was dieser Umstand hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Berufsstandes bewirken wird.