Ich habe über eine Zeit verfolgt, wie hoch die Transferrate und die Wirkung von Führungstrainings ist. Wir machen das seit einigen Jahren für Firmen, die ihre Führungs- und Kommunikationskultur verbessern wollen.
Unsere Kunden bestätigen uns regelmäßig, dass wir die besten Methoden verwenden und unsere Trainer exzellent sind.
Wir wenden erfahrungsorientiertes Lernen nach allen Regeln der Kunst der Erwachsenenbildung.
Praxisfälle spielen eine große Rolle in den Trainings. Demzufolge erhalten wir im Feedback Noten zwischen 1,2 und 1,5.
Wir können eigentlich sehr zufrieden sein.
Sind wir aber nicht.
Ein Detail zu den tatsächlichen Ergebnissen der Trainings: Weniger als 10% der Führungskräfte sehen sich Protokolle und Aufzeichnungen noch einmal an. Wir nutzen dafür eine Webseite und können das verfolgen.
Einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmenspraxis haben die Inhalte der Trainings bis auf Einzelfälle nicht. Nach kurzer Zeit geht es in Führung und Kommunikation weiter wie bisher. Das bekommen wir mit, weil wir meist auch als Coaches in dem Unternehmen tätig sind.
Ich weiß warum das so ist. Ich bin mir sogar sehr sicher, denn wir haben mit vielen Teilnehmern gesprochen und einiges probiert.
In den Trainings geht es – meist schon vom Unternehmen vorgegeben – um Techniken und Methoden der Kommunikation, Führung und Organisation, ohne dass die entscheidenden, primär bedeutsamen Fragen beantwortet sind. Es ist, als würde am Dach eines Hauses geschraubt, bevor Fundament und Wände richtig stehen.
Was ich damit im Kontext Führung und Unternehmen meine?
Hier sind die Fragen, auf die circa 98,5 % der Führungskräfte, mit denen wir gearbeitet haben, keine explizite Antwort hatten.
Wer sind wir? Was ist unsere Zweckbestimmung, Rolle, Aufgabe als Führungsteam? Was ist unser Nutzwert als Führungskräfte im Unternehmen und wofür stehen wir unter allen Bedingungen ein? Ich nenne die Summe der Antworten auf diese Fragen ein Selbstverständnis.
Und weiter: Was ist uns wichtig und wohin wollen wir in Zukunft gehen, was wollen wir in der Zukunft werden? Diese Fragen stehen, unschwer zu erkennen, für Werte und Vision.
Schließlich: Welche Haltung wollen wir als Führungskräfte einnehmen, welche Fähigkeiten brauchen wir dazu und welche Strategien haben wir gewählt, das alles umzusetzen.
Solange diese Fragen keine explizite Antwort bekommen haben, sind Führungsstile und Kommunikationstechniken nicht der Rede wert. Das gesamte Bild einer Organisation und der bestmöglichen Interaktion ihrer Mitglieder bleibt diffus. Techniken, Stile und Methoden, die von externen Trainern und Coaches vermittelt werden, passen nicht zu dem Unternehmen und liegen von Priorität und Fokus weit neben den Gegebenheiten.
Das gilt übrigens für ein Start-up genauso wie für einen klassischen Mittelständler, ein Großunternehmen oder eine politische Partei. Ich kann das so sagen, denn all das sind unsere Kunden.
Und jetzt die gute Nachricht. Ebenfalls aus der Erfahrung heraus gesprochen.
Die genannten primär-bedeutsamen Fragen zu klären ist nicht sehr schwierig und nicht unmöglich, aber die Antworten stehen in keinem Lehrbuch. Statt dessen braucht es Raum und Zeit für einen Prozess, der zutage fördert, was alle im Unternehmen denken, wollen und nicht wollen. Sind die Antworten klar, ausformuliert und im Unternehmen kommuniziert, steigt der Wirkungsgrad nachfolgender Maßnahmen exponentiell. Ein Gesamtbild entsteht und wir können die passenden Methoden und Instrumente auswählen und trainieren.
Investiert ein Unternehmen im Rahmen seiner Entwicklungsmaßnahmen in einen derartigen Klärungsprozess, holt es ein vielfaches von dem heraus, was die Beteiligten an Zeit und Energie investiert haben.
Ohne die Klärung von Werten, Vision, Selbstverständnis und Haltungen macht das Training von Techniken und Methoden jedoch wenig Sinn.
Eine Alternative gibt es, wenn Sie das dennoch nicht auf diese Weise machen wollen: Sparen Sie die Kosten für Führungs- und Kommunikationstraining ein und investieren Sie die freiwerdenden Mittel in sinnvollere Dinge.
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